Am Beispiel einer Boutique in Frankfurt mit nur einer angestellten Verkäuferin, die auch kassiert, lässt sich der Unterschied zwischen einer Verdachtskündigung und einer Tatkündigung gut darstellen.
In der Kasse des Geschäftes fehlt Geld. Allein anwesend war nur die angestellte Verkäuferin, denn weitere Mitarbeiter gibt es nicht in dem Geschäft. Die Geschäftsräume sind auch nicht videoüberwacht.
Das klassische Beispiel für eine strafbare Handlung ist, der Verdacht des Diebstahls aus der Kasse durch die Verkäuferin. Andererseits könnte hier auch der Verdacht einer groben Pflichtverletzung vorliegen. Denn der Verlust des Geldes könnte auch durch das längere Unbeaufsichtigtlassen der Kasse entstanden sein, indem Kunden die günstige Gelegenheit nutzen um Geld aus der Kasse zu entwenden.
Verdachtskündigung: Dringender Tatverdacht
Die Kassiererin wurde nicht auf frischer Tat beim Griff in die Kasse erwischt, aber auch nicht beim Verlassen des Kassenbereiches ohne Sicherung des Kasseninhaltes, denn der Arbeitgeber war überhaupt nicht anwesend und eine Videoaufzeichnung gibt es nicht. Eine Tatkündigung ist damit nicht möglich.
Der Arbeitgeber hat hier nur einen dringenden Verdacht, dass eine strafbare Handlung oder eine Pflichtverletzung durch die Kassiererin begangen wurde. Denn Fakt ist, dass hier Geld in der Kasse fehlt. Aber sowohl der Verdacht einer strafbaren Handlung in Form des Diebstahls (Griff in die Kasse) als auch der Verdacht einer Pflichtverletzung (unbeaufsichtigte Kassenschublade) durch den Arbeitnehmer können aber schon einen Verdachtskündigung rechtfertigen.
Die Verdachtskündigung ist nicht expliziert durch ein Gesetz geregelt, aber § 1 II Kündigungsschutzgesetz und § 626 BGB finden hier mittelbar Anwendung.
Tatkündigung : Auf frischer Tat erwischt
Es steht nicht bloß ein Verdacht im Raum, sondern der Arbeitnehmer ist auf frischer Tat beim Diebstahl ertappt worden. Beispielsweise ist der Arbeitnehmer durch Videoaufnahmen eindeutig überführt oder durch den Vorgesetzten in flagranti ertappt worden, dann kann der Arbeitgeber erst recht kündigen. In diesem Fall wird dann eine Tatkündigung ausgesprochen und keine Verdachtskündigung.
Der Arbeitgeber hat demnach die Möglichkeit gegen den bei der Tat erwischten Arbeitnehmer mit dem Instrument der Tatkündigung vorzugehen oder aber im Fall eines „nur“ dringenden Tatverdachtes des verdächtigen Arbeitnehmers allein auf Grund eines Verdachtes die Kündigung auszusprechen.
Zusammengefasst:
Die Voraussetzungen für eine Tatkündigung unterscheiden sich erheblich von den Voraussetzungen für eine Kündigung wegen eines Verdachtes (Verdachtskündigung). Bei einer Tatkündigung ist der Arbeitnehmer, wie der Name schon verrät auf frischer Tat ertappt worden. Es gibt also keine Zweifel an der Täterschaft.
Im Fall einer Verdachtskündigung hegt der Arbeitgeber nur den Verdacht, dass der Arbeitnehmer eine strafbare Handlung begangen hat. Damit verbunden ist selbstverständlich ein hohes Risiko einer Fehleinschätzung durch den Arbeitgeber.
Spricht der Arbeitgeber eine Verdachtskündigung aus, so bedeutet dies, dass ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers im Unterschied zu einer Tatkündigung nicht sicher festgestellt wurde.
Der Arbeitnehmer wird, wie der Name schon deutlich macht, auf Grund des Verdachtes eines Fehlverhaltens gekündigt. Mithin besteht die Gefahr, dass der Verdacht unbegründet ist und der falschen und damit unschuldigen Person gekündigt wird. Daher sind für eine wirksame Verdachtskündigung durch den Arbeitgeber hohe Anforderungen gesteckt, damit diese vor dem Arbeitsgericht Bestand hat.
Die Rechtsprechung an den Arbeitsgerichten hat hierzu Voraussetzungen entwickelt, die bei dem begründeten Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer Pflichtverletzung aus dem Arbeitsvertrag bereits den Ausspruch der Verdachtskündigung ermöglichen. Das Bundesarbeitsgericht sieht bereits durch den Verdacht eines strafbaren oder eines vertragswidrigen Verhaltens eines Arbeitnehmers das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört und damit eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnis für Arbeitgeber als nicht mehr zumutbar an.
Voraussetzungen:
- Begründung eines starken Verdachtes einer strafbaren Handlung oder eines groben Pflichtverstoßes durch objektive Kriterien.
- Versuch der Sachverhaltsaufklärung durch den Arbeitgeber.
- Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers zur Sachverhaltsaufklärung.
- Die Art des Verdachtes führt zu einer ernsthaften und deutlichen Zerstörung oder Erschütterung des Vertrauensverhältnisses.
- Die Arbeitgeberinteressen an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegen im Rahmen einer beiderseitigen Interessenabwägung die Interessen des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.
In der Regel keine Abmahnung notwendig
In der Regel ist keine Abmahnung erforderlich, da hier eine Unterart einer personenbedingten Kündigung vorliegt. Die Vertrauensbasis ist auf Grund des Verdachtes zerstört. Der Arbeitgeber hat kein Vertrauen mehr in die Person des Arbeitnehmers.
Ausnahmen möglich
Im Fall des reinen Verdachtes eines Diebstahls im Bagatellbereich -und damit gerade nicht einem erwiesenen Diebstahls- müsste damit erst recht eine Abmahnung erfolgen. Eine der Voraussetzungen für die Verdachtskündigung ist ein erheblicher Pflichtverstoß. Dieser muss so erheblich sein, dass -wenn es sich um eine Tatkündigung handeln würde- dieser einen wichtigen Grund im Sinn des § 6262 II BGB darstellen müsste.
Diebstahl geringwertiger Sachen: Der Fall Emmely
Eine Ausnahme bildet der Verdacht des Diebstahls sehr geringwertiger Sachen. Denn nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes, die im Fall Emmely bundesweit Schlagzeilen gemacht hatte und in der es um Pfand Bons im Gesamtwert 1,30 € ging, hätte es hier wegen der Geringwertigkeit und des einmaligen Verstoßen nach langer Dienstzeit zunächst einer Abmahnung statt einer sofortigen Kündigung bedurft. Im Emmely-Fall war die Tat jedoch erwiesen und damit handelte es sich um eine Tatkündigung.
Fazit
Im Einzelfall kann daher bei einer Bagatelle zunächst eine Abmahnung auszusprechen sein, insbesondere bei langjährigem unbeanstandetem Arbeitsverhältnis.